(Badi­sches Tag­blatt, 23.08.2013, Autor: Udo Barth)

Musik­ge­nuss mit har­tem Rock und Strei­cher­schmelz. Furio­ses Cross-over: ORSO in Ötigheim

Nach­dem schon im Vor­jahr ORSO – die „Orches­tral & Cho­ral Socie­ty“ mit einem ful­mi­nan­ten Auf­tritt auf der Frei­luft­büh­ne Ötig­heim sein Publi­kum begeis­tert hat­te, war der Klang­kör­per mit sei­ner rie­sen­haf­ten Beset­zung auch heu­er wie­der ein gefei­er­ter Gast. Einst ent­stan­den aus einer klei­nen Schul­band des Etten­hei­mer Gym­na­si­ums, ist ORSO heu­te ein Garant für star­ke drei Stun­den puren Musik­ge­nuss. Und dies min­des­tens so klang­mäch­tig wie eine Wag­ner-Oper in Bayreuth.

Man soll­te schon ein weit­ge­spann­tes Inter­es­se mit­brin­gen, sowohl sin­fo­nisch groß ange­leg­te Par­ti­tu­ren als auch Klas­si­ker der Rock­ge­schich­te mögen. Wenn dem so ist, wird man bei die­sem Cross-over durch die fast 200 Musi­ker und Sän­ger reich­lich belohnt. Mit gro­ßen Facet­ten zwi­schen har­tem Rock und mit viel Strei­cher­schmelz ver­setz­ter Klang­kul­tur bie­tet das Rie­sen­en­sem­ble so ziem­lich alles, was sich nur schein­bar nicht ver­ei­nen lässt.

Schon beim Intro der Rock­band klatscht das Publi­kum rhyth­misch mit. Wenn Wolf­gang Roese, der Domp­teur der Mas­sen, zwi­schen Diti­gier­pult und Flü­gel hin und her hech­tet, ist man für­bass erstaunt, zu wel­chen Höchst­leis­tun­gen und Kraft­an­stren­gun­gen die­ser noch jun­ge Diri­gent fähig. ist. Zudem sorgt er mit ein­falls­rei­chen, zuwei­len auch höchst ver­blüf­fen­den Arran­ge­ments dafür, dass solch’ ein Abend nicht so schnell ver­ges­sen wird. Mun­ter mixt Roese die “Dreamer”-Nummer der Grup­pe Super­tramp mit Zuta­ten des Wal­zer­kö­nigs Johann Strauß, bei denen sogar noch ein “Extra-Orches­ter” aus Blä­sern, die sich zuvor in bes­ter Haydn­Ma­nier von der Büh­ne “ver­ab­schie­det” hat­ten, urplötz­lich dem ver­blüff­ten Publi­kum hin­ter­rücks den “Radetz­ky-Marsch” blasen.

Hör­gren­zen sind dazu da, über­wun­den zu wer­den, und so kann auch mal die viel­be­gab­te Mul­ti-Instru­men­ta­lis­tin Simon­ne Jones in ihren vom Folk beein­fluss­ten Stü­cken mit Puc­ci­ni-Streu­seln über­rascht wer­den. Für letz­te­res ist Gun­nar Schier­reich mit sei­nem beein­dru­cken­den Stimm­vo­lu­men zustän­dig, einer aus der Solis­ten­rie­ge, die alle­samt den mal sin­fo­nisch, mal opern­haft gestähl­ten Rock zu einem Noten­me­nü mit hohem Sucht­fak­tor rei­fen lassen.

Eine beson­de­re Über­ra­schung bie­tet der Auf­tritt von Micha­el Sad­ler, lang­jäh­ri­ger Front­mann und Kopf der legen­dä­ren kana­di­schen Band SAGA, die beson­ders vie­le Anhän­ger in Deutschlang hat­ten und haben. Auch in Otig­heim öff­nen sich dem cha­ris­ma­ti­schen Welt­star der Pro­gres­siv-Rock-Sze­ne, wenn er die Hits mit span­nen­den Orches­ter­ver­sio­nen samt dem typi­schen “SAGA-Rumms” anstimmt, sofort die Her­zen sei­ner Fans.

Opersän­ge­rin Par­sons wirk­te mit Wicklern

Wie schon im Vot­jahr bil­den bei der “Rock-Sym­pho­ny-Night 2” Songs von Queen so etwas wie die pro­gram­ma­ti­sche Klam­mer des umju­bel­ten Gast­spiels von ORSO. “Don’t stop me now” heißt das Mot­to. War­um auch? Denn die Musi­cal­er­prob­te Bri­git­te Oel­ke zeigt, wo der musi­ka­li­sche Ham­mer hängt. Für Alex Mel­cher wie­der­um ist der Auf­tritt fast ein Heim­spiel, denn auf­ge­wach­sen ist der durch vie­le Musi­cal-Rol­len bekann­te Sän­ger in Rhein­stet­ten. Beim Toto-Hit “Hold the line” steckt er mit sei­ner ath­le­ti­schen Büh­nen­ar­beit sogar die Strei­cher an, die sich dann auch mal rhyth­misch in Gym­nas­tik üben. Die Soul-Queen Bren­da Boy­kin lässt für samt­wei­che Minu­ten Bar­ba­ra Strei­sand und den Film­mu­sik-Klas­si­ker “The sum­mer knows” wie­der aurer­ste­hen und sorgt damit für ruhi­ge Ent­span­nung in die­sem Otig­hei­mer Frei­luft-Rock­pa­last. Die Aus­tra­lie­rin Melin­da Par­sons, spür­bar auch auf den Opern­büh­nen der Welt zuhau­se, hat auf dem Tell­platz das komi­sche Gen­re für sich ent­deckt. Als Ulk­nu­del mit gräss­lich-rosa Locken­wick­lern gibt sie sich als Pri­ma­don­na und schmeißt als Zuga­be ihren Fri­seur­be­darf ins ent­zück­te Publikum.

Zwi­schen­durch und vor allem auch im zwei­ten Set wird hef­tig abge­rockt. Das Mega-Orches­ter nimmt sich “Metallica”-Songs vor. Da wackeln die Pap­peln am Tell­platz! Das putzt Gehör­gän­ge frei, ist trotz alle­dem aber in der Laut­stär­ke gut ver­träg­lich. Und so darf am Ende die­ses mit fre­ne­ti­schem Bei­fall bedach­te Kon­zert auch mal so rich­tig laut applau­diert werden.