Badische Zeitung, 24. Juli 2016
Gänsehautmomente an der Hochfirstschanze
Stimmgewaltig und lautstark präsentiert das ORSO-Ensemble seinen Zuhörern ein musikalisch vielseitiges Programm – von der Operette bis zum One-Hit-Wonder
TITISEE-NEUSTADT. Was für ein Konzert. Mit einer Mischung aus Rock, Pop, Musical, Oper und Jazz, teilweise vereint in einem Stück, beeindruckte die ORSO „Rock- Symphony-Night“ mit einem Ensemble von mehr als 200 Musikern die Zuhörer beim Festival an der Hochfirstschanze.
Am Fuße der Hochfirstschanze erstreckt sich am Freitagabend die große Bühne über die ganze Breite des beginnenden Auslaufs, wobei die große Schanze im Hintergrund den krönenden Abschluss bildet. Durch die natürliche Steigung hat jeder Besucher einen guten Blick auf die Vielzahl an Musikern, die, desto später der Abend, in Rauch und Scheinwerferlicht getaucht sind. Die akustischen Eigenheiten der Sportanlage lernen Musiker und Zuhörer gleich zu Beginn des Abends kennen: Kurz vor dem ersten Stück, Dirigent Wolfgang Roese hatte bereits den Rücken zum Publikum gewandt, ertönt vom Ende der Anlage, vielleicht von einem der Verkaufsstände, ein Lachen, das in der wartenden Stille bis zur Bühne getragen wird und bei Dirigent, Orchester und Publikum ebenfalls zu einem ausbrechenden Lachen führt.
Galerie Ortenau, 12. August 2016
ORSO „Rock Symphony Night” IV in Ötigheim
Mit großer Erwartung pilgerten am 10. August knappe 4000 Besucher zur Freilichtbühne nach Ötigheim, um einem Konzerterlebnis der Spitzenklasse zu lauschen. Das Orchester ORSO aus Freiburg lud ein zu seiner Reihe Rock-Symphony Night, in ihrer 4. Ausgabe. Die Voraussetzungen waren bei feuchtem und kaltem Wetter für die Musiker nicht gerade einfach.
Das 200-köpfige ORSO-Ensemble besteht aus 120 Musikern, einem 60-80 köpfigem Chor, einer Rockband und großartigen Gesangssolisten. Es steht unter der Leitung des Komponisten, Arrangeurs, künstlerischen Leiters und Dirigenten Wolfgang Roese, der mit seinen jungen Jahren schon etliche große Werke erarbeitet und aufgeführt hat. Es ist erstaunlich, mit welchem Elan, welcher Feinfühligkeit und Inspiration er es versteht das Konzert zu führen und es zu musikalischen Glanzstücken zu bringen. Dabei sind es die besonderen Arrangements, die das Publikum faszinieren, begeistern oder verunsichern.
Wolfgang Roese überschreitet mit seinem Orchester oftmals die Grenzen verschiedener Musikgenres. Da werden symphonische Musikdichtungen aus der klassischen E-Musik, mit Werken von Ravel, Mahler oder Strawinsky gemischt mit den Musiken von Rocklegenden wie Led Zeppelin, Queen oder Eric Clapton aus dem U-Musik Genre. Man merkt es nicht, oder kaum, wenn sich aus einem klassischen Stück die Musik wandelt in ein bombastisches Stück wie zum Beispiel Kashmir von Led Zeppelin. Selbst Menschen, die der klassischen Musik nicht so zugewandt sind werden dadurch verzückt und begeistert. Und genau das ist es, was der Komponist Wolfgang Roese erreichen will, was ihn mit Stolz erfüllt.
Symbiosen unterschiedlichster Musikstile und Richtungen
Wenn dann noch Elemente des Jazz und des Musicals mit in diese Konzertreihe eingebunden werden, erhält die Bedeutung einer Rock Symphony Night ein total anderes Bild. Und so ging es wahrscheinlich einigen Besuchern, wie auch mir, die sich zuerst mal an diese Symbiosen der Musik gewöhnen mussten. Um dann aber von der Klangfülle, der Stärke und der Präsenz der Programmstücke begeistert zu sein. Die brachiale Stärke des Orchesters, gepaart mit der Musikalität des Chores, der mal leise, mal laut unterstützend mitwirkte, machte jedes Lied zu einem Hörgenuss. Aber auch die leisen Töne erzeugten eine Spannung, die sich mehr und mehr aufbaute. Dazu gab es dann Solisten, die mit ihren wirklich tollen Stimmen die Musikstücke untermalten und ihnen den besonderen Kick brachten.
Das Programm war gespickt mit Klassikern der Rock-, Jazz-, Pop- und Musicalgeschichte. Da war ein Medley als Tribute to Robbie Williams, hervorragend interpretiert von Mennana Ennaoui, einer Rockröhre aus Marokko, die mit ihrer Stimme in mehreren Solo- und Duettstücken überzeugte mit ihrem Partner Alex Melcher. Alex Melcher dürfte einigen bekannt sein aus den Musicals „We will Rock you“, wo er den Galileo spielte, und aus „Hinterm Horizont“, wo er Udo Lindenberg verkörperte. Die amerikanische Soul und Jazzsängerin Brenda Boykin, immerhin schon knapp 60 Jahre alt, riss das Publikum bei ihren Interpretationen von „The Man I Love“ (Gershwin) und „Cheek to Cheek“ und vor allem bei Led Zeppelin`s „Kashmir“ zu Beifallsstürmen hin. Mit Susanne Müller, die schon viele Jahre, ebenso wie Gunnar Schierreich zum Ensemble von ORSO gehören, kamen die eher klassisch herkommenden Stücke wie „Glitter and be gay“ aus dem Musical Candice oder „Caruso”, gewidmet dem großen italienischen Sänger Enrico Caruso, zur Geltung. Letztendlich noch die Solistin Josy Santos, eine Mezzo Sopranistin, die schon an großen Theatern, unter anderem am Theater Stuttgart, spielte, und die mit „Los Payaros Perdidos“ und dem „Aqurelo do Brasil“ einen Hauch von Latein Amerika ins Oval zauberte. Durch das Programm führte mit viel Charme und Esprit das kleinste Musicalensemble „Die Stammzellenformation“ mit Nini Stadlmann und Tom van Hasselt.
Das Orchester wurde zum Schluss euphorisch mit Standing Ovations gefeiert
Hinzu kamen Stücke wie „I want it all”, „Whole Lotta Love”, „That`s the Way”, eine Hommage an David Bowie mit „Space Oddity”, „Dream On”. Opulente Musiken, die teilweise mit Standing Ovations begleitet wurden. Anekdote in Bezug auf Begleitung war die nette Dame neben mir, die wie sich bei einem Gespräch herausstellte, eine ehemalige Choristin war, und die bis vor kurzem selbst bei ORSO mitwirkte. Jedes Stück sang oder summte sie leise vor sich hin, und man spürte wie ihr Herz noch immer für den Chor schlug. Als mit „Smoke on the Water“ von Deep Purple das letzte Stück angekündigt wurde hielt es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen. Euphorisch wurde das Orchester gefeiert und bejubelt. Nicht endend wollender Applaus brauste auf und so war es klar, dass die Zugabe kommt. Vier Musikstücke, rockig poppig, lustig oder auch klassisch, wurden zum Besten gegeben, ehe mit „We will rock You“ nach 4 Stunden ein Abend voller Emotionen, Eindrücken, und neuen Erfahrungen über die Rock Symphony zu Ende gingen. ORSO kommt im nächsten Jahr zwei Mal wieder in die Arena der Freilichtbühne Ötigheim. Dann einmal klassisch mit Verdis „Requiem“ und mit „Rock Symphony V“. Ein Muss für jeden Klassik Fan. Und bestimmt wieder mit mir. (ga)
Badische Neueste Nachrichten, 12. August 2016
Gänsehautmomente für die bibbernden Fans
ORSO vor 3.000 Besuchern auf der Freilichtbühne in Ötigheim
Wenn hymnische Bläserfanfaren und zarter Streicherschmelz auf harte Gitarrenriffs und griffige Basslines treffen und sich zu einer harmonischen Einheit verbinden, dann nennt man das Crossover. Mit genau solch einem Brückenschlag begeisterte am Mittwochabend Orso – die Orchestra & Choral Society Freiburg/Berlin unter ihrem quirlig-engagierten Leiter Wolfgang Roese. Bei der Rock Symphony Night rockten mehr als 200 Mitwirkende Deutschlands größte Freilichtbühne, die sich bereits zum vierten Mal nach 2012 in einen Freiluft-Rockpalast verwandelt hatte.
Rund 3 300 bibbernde Besucher kamen bei frostigen Temperaturen in den Genuss einer opulent inszenierten Show unter dem Motto Rock meets Classic, der es an Gänsehautmomenten nicht mangelte. Auch nach dreieinhalb Stunden wollte fast keiner nach Hause, vorausgesetzt er war warm genug eingepackt. Zumindest regnete es nicht, als die für ihre klanggewaltigen Tongemälde bekannten Orsonauten den Zuschauern stimmgewaltig, lautstark und vor allem gut einheizten.
Den furiosen Auftakt machte das Orchester mit der düster-bedrohlich beginnenden, sich langsam aufbauenden und zum atemberaubenden Crescendo steigernden sinfonischen Dichtung Pines Of Rome, um wenig später der britischen Rockband „Queen“ mit einem knackigen I Want It All oder KC And The Sunshine Band mit einem komplex arrangierten That’s The Way zu huldigen. Die brillanten Musicalsänger Alex Melcher und Mennana Ennaoui erwiesen unter anderem Robbie Williams ihre Reverenz, während Gunnar Schierreich und Susanne Müller die Zuhörer in die Oper entführten. Tenor Schierreich glänzte mit Caruso, Sopranistin Müller brillierte mit ihrer glasklaren, selbst in den höchsten Höhen sicheren Stimme in Leonard Bernsteins Glitter And Be Gay aus Candide.
Einen starken Eindruck machte die US-amerikanische Jazz- und Bluessängerin Brenda Boykin, die mit rauchigem Organ The Man I Love und Cheek To Cheek ins Publikum röhrte und Led Zeppelins legendärem, gewaltig orchestriertem Rocksong Kashmir, der mit Verdis Dies Irae aus dem Requiem eingeleitet wurde, erst die richtige Würze gab. Rockröhre Ennaoui verlieh dem Led-Zeppelin-Kracher Whole Lotta Love eine ganz eigene Note, genauso wie im Verein mit Boykin dem Mothers’s-Finest-Funkklassiker Baby Love. Josy Santos, Mezzosopranistin aus Bahia/Brasilien, begeisterte mit feurig-temperamentvollen Interpretationen von Astor Piazzollas Los Pajaros Perdidos und dem Welthit Aquarelo do Brasil. Nicht fehlen durften Hommagen an David Bowie und die Beatles. Melcher entführte mit Space Oddity zu Major Tom in die Weiten des Weltalls, während Ennaoui den Fab Four mit einer langsamen, soulig-rauchigen Version von Help ihre Reverenz erwies.
Durch das Programm führten witzig, charmant und mit einer gehörigen Portion (Selbst-)Ironie Nini Stadlmann und Tom van Hasselt, die nicht nur moderierten, sondern als Stammzellformation – die kleinste Musicalcompany der Welt – mit einem spritzig-satirischen, musical-kabarettistischen Kurzprogramm den Besuchern die Lachtränen in die Augen trieben.
Da mittlerweile die Temperaturen unter den Gefrierpunkt gefallen waren, war es am Ende der mit Standing Ovations belohnten Show höchste Zeit für Deep Purples „Smoke On The Water“. Wer Orso diesmal verpasst hat, kann sich trösten: Nächstes Jahr kommen sie wieder. (Ralf Joachim Kraft)
Badisches Tagblatt, 12. August 2016
Sinfonische Klangkultur und harte Rockrhythmen
Die musikalische Energie des Abends ist einzigartig – die Kühlschranktemperatur ist es allerdings auch. Mit einem gut besuchten Gastspiel unter dem Titel Rock Symphony Night lässt das Orchester ORSO auf der größten und wahrscheinlich schönsten Freilichtbühne Deutschlands in Ötigheim sagenhafte Klangwelten aufleben. Und immerhin: Punktgenau zum Konzertbeginn hat der Regen ein Einsehen. Crossover heißt das Zauberwort dieses in Freiburg ansässigen Riesenensembles nebst Chor, das ein Grenzen sprengendes Programm zwischen sinfonischer Klangkultur und harten Rockrhythmen bietet. Einst entstanden aus den zarten Anfängen einer Ettenheimer Schulband, ist ORSO seit einigen Jahren ein Garant für drei Stunden puren Musikgenuss.
Satter Orchesterklang sorgt für gefühlte Wärme
Wolfgang Roese, der Dompteur am Dirigentenpult, ist bekannt für seine ausgefeilten Arrangements; so mixt er munter in seinen Toncollagen Strawinskys Ballettmusik Petruschka mit einem Disco-Hit aus den 1970er Jahren, That’s The Way I Like It der damals populären Gruppe KC & the Sunshine Band. Dieses ziemlich schräge Ergebnis aus auf den ersten Blick unvereinbaren Zutaten beweist, dass Musikgrenzen dazu da sind, um überwunden zu werden. Als Hors d’oeuvre jedoch serviert Roese erstmal ein richtig klassisches Stück, bei dem ein satter Orchesterklang für gefühlte Wärme sorgt.
Der vierte Satz aus Respighis sinfonischer Dichtung Pinien von Rom beschwört imaginär einen südlichen Sommerabend herauf. Gleich mehrere Vokalsolisten hat ORSO nach Ötigheim mitgebracht, allesamt Spezialisten in ihrem jeweiligen Fach. Dazu gehört beispielsweise die Stammzellformation, bestehend aus Nini Stadlmann und Tom van Hasselt, die mit viel Witz auch als Moderatoren-Duo durch das Programm führen.
Vielseitigkeit bei den Solisten
Beide kommen aus der Musical-Welt, wie unschwer beim Medley aus kürzesten Kostproben von Cats bis Cabaret herauszuhören ist. Dass Gunnar Schierreich eher im klassischen Umfeld zu verorten ist, wird ob seinem beeindruckenden Stimmvolumen in einem Tribute an Robbie Williams deutlich. Da kann Alex Melcher mit seinem schlank geführten Tenor nicht ganz mithalten. Die in Marokko geborene Mennana Ennaoui überzeugt bei diesen komprimierten Hits aus dem Repertoire des ehemaligen Take That Sängers mit ihrer soulbetonten Stimme auf ganzer Linie. Beim Queen-Klassiker I want it all heulen dann auch zum ersten Mal die Gitarren der Rockband auf, und wenn die Streicher des ORSO in Apocalyptica-Manier die Bögen auf die Saiten donnern lassen, kündet sich Whole Lotta Love von Led Zeppelin an, bei dem man sich nicht genau sicher ist, ob da statt Ennaoui nicht doch Robert Plant den psychedelischen Rockshop bedient.
Ganz stark auch der Auftritt der nicht mehr ganz taufrischen Soulqueen Brenda Boykin, die heuer in Ötigheim mit zwei Broadway-Klassikern ihre nachhaltige Visitenkarte abgibt. Mit viel Streicherschmelz wird Gershwins? The Man I Love eröffnet, es sorgt für samtige Momente in diesem Freiluft-Rockpalast. Die aus Brasilien stammende Josy Santos zählt zu den Highlights dieser an vokalen Qualitäten reichen Show. Die an der Oper Stuttgart engagierte Mezzo-Sopranistin glänzt, gut grundiert, mit klug eingesetzten dynamischen Feinheiten bei Astor Piazzollas? Tango Los Pajaros Perdidos. Da haben die ansonsten in Ötigheim oft mittrillierenden Amseln längst den olympischen Wettkampf mit den menschlichen Stimmen aufgegeben. Und bevor dieser aufregende Sommerabend mit Smoke On The Water von Deep Purple zu Ende geht, fliegen die Klänge des Orchesters und dem Solisten Alex Melcher in den Musikerhimmel zu David Bowie auf. Ein bisschen viel Bombastik fürwahr, was dabei der Chor da intoniert, aber um zum kürzlich verstorbenen Superstar zu gelangen, muss der Sound schließlich durch den mehr als grauen Himmel nach oben strömen. Enthusiastisch der verdiente Beifall. (Udo Barth)