(Badische Zeitung, 06. Juni 2016)
Bizarres und Zartes
Das Orso mit Russischem im Freiburger Konzerthaus.
Wenn das Orso auf die Pauke haut, wird’s vernehmlich. Im triumphalen Finale von Modest Mussorgskys “Bilder einer Ausstellung”, dem “großen Tor von Kiew”, bebt beim Einsatz der großen Trommel im Freiburger Konzerthaus der Boden. Das Publikum jubelt: stehende Ovationen, noch bevor das Orchester sich zum ersten Mal erhebt.
Das freilich nicht nur wegen der beeindruckenden Lautstärke, denn Orchester und Chor war unter Leitung von Wolfgang Roese eine wirklich farbenreiche, plastische Darstellung der “Bilder” geglückt. Für die hatte Roese selbst die Orchesterfassungen von Maurice Ravel und Leo Funtek überarbeitet, vor allem Parts für Chor und zwei Klaviere (Ekaterina und Alexander Kolodochka) hinzugefügt. Namentlich die beiden Flügel sorgen für größere klangliche Tiefe und durchschlagende perkussive Akzente. Ohnedies düstere Sätze wie “Gnomus” oder “Bydlo” wirken so noch bizarrer, lastender. Demgegenüber die “Tuileries”: ein zartes impressionistisches Farbenspiel, das luftig-duftig vorüberhuscht.
Schöne Einzelleistungen
So werden Mussorgskys Miniaturen auf den Punkt genau charakterisiert. Das ganze Konzert bewegt sich auf hohem Niveau, ist spürbar getragen von Engagement und Begeisterung der Ausführenden. Unter diesem Vorzeichen darf man auch bemerken, dass es in Tschaikowskys “Romeo und Julia”-Ouvertüre an Biss und Struktur, zugleich an Weichheit der Übergänge fehlt. Die Holzbläser haben akustisch gegen Streicher und Schlagwerk – deren Fortissimo bisweilen undifferenziert laut wirkt – nur wenig Chancen.
Mit Dmitri Schostakowitschs erster Sinfonie arbeitet sich das Orchester an sein Endniveau heran. Die ersten Sätze haben schon mehr Kontur, indes hapert es an der für diesen Komponisten nötigen Zackigkeit und Eckigkeit. Erst im vierten Satz blitzen die charakteristischen Kanten und spiegelglatten Oberflächen auf. Dies unbeschadet schöner Einzelleistungen, wie sie vor allem Solo-Klarinette und Solo-Oboe einbringen.
In Alexander Borodins Polowetzer Tänzen (Nr. 17 aus seiner Oper “Fürst Igor”) tritt dann noch der Orso-Chor hinzu. Der ist durchweg präsent. Gegenüber anfänglichen Intonationstrübungen ist die wacklige Klangbalance das größere Problem: Gegen das Orchestertutti kommen die Vokalisten trotz ihrer großen Zahl kaum an. Dennoch lässt die Darbietung Zug und innere Richtung erkennen, und das Ganze gelingt atmosphärisch geschlossen und abgerundet. Solche Stimmungsdichte ist den frenetischen Beifall allemal wert.
Gero Schreier