(Badische Zeitung, 19. Januar 2016)
Transatlantischer Feuereifer
Nord- trifft Südamerika: Das Freiburger ORSO-Neujahrskonzert
Wo Orso draufsteht, steckt meist Power drin. So auch im diesjährigen Neujahrskonzert unter dem Titel „Amerikana“. Ein dichtes Programm, das dem Publikum im Konzerthaus Freiburg, wie gewünscht, kaum Zeit zum Atmen ließ: Nord- meets Südamerika, musikalischer Multikulti-Schmelztiegel trifft auf feurige Rumba-Rhythmen.
Wobei letztere zunächst aus dem nordamerikanischen Lager verlautbar werden, dem der erste Teil des Konzerts gehört: Genauer gesagt den Herren mit den recht bekannten Namen Gershwin und Bernstein. In der „Cuban Ouverture“ von Gershwin hört man nur Südamerika: Präzise rhythmisiert, perkussiv im Grundgedanken verleihen Dirigent Wolfgang Roese und das Orsophilharmonic dem von kubanischer Tanzmusik inspirierten Werk würzige Schärfe. Stilpluralistischer sind die übrigen Nordamerika-Abstecher. Bernsteins eingängige Melodien aus „West Side Story“ dürfen da auf keinen Fall fehlen. In der sinfonischen Fassung gelingt dem Ensemble eine überraschend vielseitige Interpretation: Brutales Blech in Synkopen tariert sich da fein mit dem samtigen Streicherklang aus, mal federt und tänzelt die Musik leichtgängig, dann wieder hört man plastisch den Eifer des Gefechts heraus. Chapeau! Und Gershwins „An American in Paris“ erzählt bemerkenswert kurzweilig und transparent von den Boulevards der Stadt – auch wenn das Ende viel zu wuchtig dröhnt. Der südamerikanische Teil indes beweist gerade Heitor Villa-Lobos’ kompositorische Vielseitigkeit: „Rasga o coração“ aus den sinfonisch-folkloristischen „Chôros“ wird in seiner freien Atonalität und den repetitiven Figuren des Chors zur archaisch-wilden Klangmalerei voller Erregung. In der „Bachiana Brasileira“ Nr. 5 hingegen verbinden acht Celli des Orchesters Bachs kontrapunktischen Stil feingliedrig mit der brasilianischen Liedform namens Modinha, gesungen von Mezzosopranistin Josy Santos. Die junge Brasilianerin, ab Februar dieses Jahres Mitglied des Opernstudios der Oper Stuttgart, beweist vorzügliche Anlagen: Da ist etwas Substantielles in ihrer Stimme, eine Art mystische Wärme, mit der sie, im Verbund mit dem eifrigen Orso-Chor, auch zupackend den schmachtenden Villa-Lobos in „Melodia Sentimental“ oder Astor Piazzollas wild glühendes „Los Pájaros Perdidos“ zum Leben erweckt.
So manches Mal würde der Orchesterklang mehr Balance vertragen: Nicht jedes Tutti im Forte muss die Wände zum Erbeben bringen, wie etwa in der Zugabe des Gassenhauers „Brazil“ von Ary Barroso, bei der auch die elektronische Verstärkung von Chor und Solistin viel zu laut gerät. Weniger ist manchmal mehr, und dennoch: Der beneidenswerte Feuereifer für die Sache macht das Meiste wieder wett.
Wie war’s beim…Orso-Neujahrskonzert in Freiburg? (veröffentlicht am Mo, 18. Januar 2016 12:55 Uhr auf badische-zeitung.de)
Fotos: Orso spielt Amerikana im Konzerthaus (Fotogalerie veröffentlicht am 18. Januar 2016 auf badische-zeitung.de )